Von 2023 bis Anfang 2025 breitete sich eine neue Form des Finanzbetrugs in Europa und dem Vereinigten Königreich aus: sogenannte „Bildungsseminare“ vor Ort, die sich als Finanztrainings tarnen. Diese Veranstaltungen richten sich gezielt an ältere Menschen und verführen sie dazu, ihr Geld in riskante oder komplett fingierte Investitionen zu stecken. Unter dem Vorwand kostenloser Beratung werden Senioren dazu gebracht, ihre Ersparnisse an betrügerische Fonds oder Makler zu übergeben, die bald darauf spurlos verschwinden. Diese Recherche zeigt, wie die Masche funktioniert, warum sie so effektiv ist und welche Maßnahmen notwendig sind, um sie zu stoppen.
Der Betrug beginnt meist mit einer Einladung: Ein offizielles Flugblatt oder ein Telefonanruf lädt Rentner zu einem kostenlosen „Finanzbildungsseminar“ in einem örtlichen Hotel oder Gemeindezentrum ein. Die Veranstaltungen wirken professionell, mit selbstsicheren Rednern und hochwertigen Präsentationen. Häufig werden kleine Geschenke oder Erfrischungen versprochen.
Während des Seminars wird den Teilnehmern schrittweise eine scheinbar seriöse Investitionsmöglichkeit vorgestellt. Die Betrüger präsentieren gefälschte Diagramme, Erfahrungsberichte und Broschüren mit Logos angeblicher Finanzaufsichten. Sie erzeugen einen Zeitdruck und suggerieren Exklusivität des Angebots.
Am Ende des Seminars werden die Anwesenden gedrängt, sich sofort anzumelden oder einen Beratungstermin zu vereinbaren. Dabei handelt es sich um aggressive Verkaufstaktiken, mit dem Ziel, möglichst hohe Einzahlungen zu erzielen. Viele Opfer erkennen den Betrug erst, wenn es zu spät ist.
Betrüger nutzen gezielt das Vertrauen, die Höflichkeit und die finanzielle Unsicherheit älterer Menschen aus. Viele Senioren suchen ehrlichen Rat, um ihre Rente zu sichern oder Angehörige zu unterstützen. Die Täter geben sich als verständnisvolle Experten aus, die nur helfen wollen.
Der Aufbau einer Beziehung steht im Mittelpunkt. Oft werden Teilnehmern persönliche „Berater“ zugewiesen, die später telefonisch oder bei Hausbesuchen nachfassen. Diese persönliche Betreuung schafft eine trügerische Vertrauensbasis.
Zusätzlich bedienen sich die Betrüger bekannter Finanzbegriffe wie „feste Rendite“, „regulierte Plattform“ oder „anlagegestützte Fonds“, um Seriosität zu suggerieren. Die Opfer erhalten kaum Gelegenheit, die Angebote zu prüfen oder unabhängigen Rat einzuholen.
Senioren werden gezielt angesprochen, weil sie über Ersparnisse verfügen und oft nach Möglichkeiten suchen, ihr Geld sicher anzulegen. Viele von ihnen sind nicht digital versiert und können Offline-Betrug schlechter erkennen als Online-Abzocke.
Zudem zeigen Studien, dass ältere Menschen eher vertrauensvoll sind und Betrug seltener melden – aus Scham oder Angst, ihre Selbstständigkeit zu verlieren. Genau diese Schwächen machen sie für Betrüger besonders attraktiv.
Die Pandemie hat soziale Isolation und finanzielle Sorgen verschärft. Viele Senioren haben das Vertrauen in klassische Finanzinstitute verloren oder suchen Wege, die steigenden Lebenshaltungskosten zu decken – ein idealer Nährboden für solche Machenschaften.
Ende 2023 deckte die Polizei in Manchester ein Netzwerk auf, das gezielt frisch pensionierte Arbeiter ansprach. Ähnliche Betrügereien wurden in Deutschland, Polen und Spanien gemeldet – alle nach demselben Muster.
Ein besonders bekannter Fall betraf eine angebliche Investition in „grüne Start-ups“. Über 200 Senioren aus drei Städten verloren dabei insgesamt rund 3,7 Millionen Pfund. Die Täter operierten über Offshore-Konten, was rechtliche Schritte erschwerte.
Die Behörden warnen, dass diese Betrügereien zunehmend ausgeklügelt ablaufen, mit KI-generierten Materialien und gefälschten Identitäten echter Firmen oder Berater. Die Grenze zwischen echt und falsch verschwimmt zunehmend.
Aufklärung ist der wichtigste Schutz. Gemeindehäuser und Seniorenorganisationen sollten regelmäßig über die Gefahren solcher Angebote informieren. Warnzeichen wie Zeitdruck, unrealistische Versprechungen und fehlende Zulassungsnachweise müssen früh erkannt werden.
Seriöse Finanzberater drängen niemals zu schnellen Entscheidungen und unterstützen unabhängige Beratung. Jedes Angebot, das nicht durch offizielle Aufsichtsbehörden wie die FCA verifizierbar ist, sollte als Risiko betrachtet werden.
Gesetzgeber und Strafverfolgung müssen ihre Zusammenarbeit über Grenzen hinweg verbessern. Mehr Ressourcen sollten in öffentliche Aufklärung, schnelle Reaktion und Hilfe für Opfer fließen, um langfristige Schäden zu minimieren.
Wer vermutet, Opfer eines betrügerischen Seminars geworden zu sein, sollte sich sofort an die nationale Finanzaufsicht oder die Polizei wenden. In Großbritannien hilft Action Fraud (0300 123 2040) mit einer Hotline und Online-Meldung.
Angehörige sollten auf Verhaltensänderungen oder geheimes Finanzverhalten achten. Bei Verdacht sollten Belege gesichert, Zahlungen gestoppt und emotionale Unterstützung angeboten werden – viele Opfer schämen sich, was Betrügern in die Hände spielt.
Wissen zu teilen ist entscheidend: Lokale Medien, soziale Netzwerke und Vereine können zur Aufklärung beitragen. Kommunikation, Aufmerksamkeit und gegenseitige Hilfe sind die effektivsten Waffen gegen diese perfiden Taktiken.